Nr. 1
«In Zürich ist doch
alles gar nicht
so schlimm»

Doch!

Wir werden immer wieder gefragt, warum wir uns in Zürich so aufregen. Wir sollen doch mal nach London, New York, Tokio oder welche Grossstadt auch immer schauen. Gaht’s no? Nur weil es in anderen Städten noch schlimmer ist, soll hier alles gut sein?

In Zürich spitzt sich die Wohnkrise schon seit längerem stark zu.

1.
Es gibt zu wenig verfügbare Wohnungen.

Im Juni 2023 standen in der Stadt Zürich nur 144 Wohnungen leer. Das sind noch weniger als im Krisenjahr 2022, und das trotz gestiegener Bautätigkeit.1 Kantonal sank der Leerwohnungsbestand sogar auf einen der tiefsten Werte seit der Jahrtausendwende auf 0.53%.2

1) Statistik Stadt Zürich, 2023: Medienmitteilung «Wohnungsleerstand in der Stadt Zürich sinkt weiter»
2) Kanton Zürich, 2023: «Weniger Leerwohnungen im Kanton Zürich»

Wir haben ‚Wohnungsnot‘ in Zürich!

Eine einheitliche Definition von ‚Wohnungsnot‘ gibt es nicht. Manche benennen Wohnungsnot ab einer Leerwohnungsziffer unter 1,5%, andere erst unter 1%.1 Für die Region Zürich trifft das aber so oder so zu, denn die Leerwohnungsziffer liegt dort viel tiefer: Im Kanton Zürich lag die Leerwohnungsziffer 2023 bei 0.53% und in der Stadt bei 0.06%!


1) Urs Hausmann, 2017: Gutachten zu Art. 270 OR mit Fokus auf «Wohnungsnot» und «Wohnungsmangel». Zugänglich bei SVIT

Was ist die ‚Leerwohnungsziffer‘?

Die ‚Leerwohnungsziffer‘ misst die Menge an freien Wohnungen am 1. Juni eines Jahres. Erfasst werden dabei Wohnungen, welche zur dauernden Miete oder zum Kauf angeboten werden und bezugsbereit sind. Die Leerwohnungsziffer ist natürlich eine vereinfachte Zahl und deckt nicht alles ab, was relevant ist. Zum Beispiel werden in Zürich die meisten Wohnungen lückenlos weitergegeben, stehen daher gar nie (oder zu einem anderen Zeitpunkt als am 1. Juni) leer und werden dadurch auch nicht erfasst. So zeigt etwa die Umzugsstatistik, dass trotz tiefer Leerstandsziffer viele Menschen jährlich ihre Wohnungen wechseln: Im Schnitt werden in Zürich 2300 Wohnungen neu bezogen, dazu kommen noch alle Personen, die in einen bestehenden Haushalt ziehen.1 Diese Wohnungen werden gar nicht ausgeschrieben. Gleichzeitig stehen auch Wohnungen ‚leer‘, die aus diversen Gründen gar nicht zur Vermietung oder zum Verkauf zur Verfügung stehen. Auch diese werden mit der Leerstandsziffer nicht erfasst.


1) Statistik Stadt Zürich, 2020: «Hohe Wohnungsfluktuation trotz tiefem Leerstand»

2.
Die Mieten steigen stark.

Die Stadt untersuchte kürzlich die Entwicklung der Mietzinse von 2000 bis 2022.1 Diese Studie zeigt: Über alle Arten von Wohnungen hinweg sind die Mieten um 40% gestiegen. Die Steigerungen wegen Sanierungen sind dabei nicht einmal mit eingerechnet. Man könnte jetzt sagen: Nicht so schlimm, weil auch die Löhne sind gestiegen. Aber: Das sind eben nicht die Löhne derselben Menschen / Haushalte (siehe Mythos Nr. 4). Ausserdem haben sich Mietzinse weder an Löhnen noch an einer Nachfrage zu orientieren, sondern am Referenzzinssatz. Und dieser ist seit seiner Einführung 2008 stetig gesunken. Die Mieten hätten also auch sinken müssen (siehe Mythos Nr. 5).

1) Statistik Stadt Zürich, 2022: «Mietpreise in der Stadt Zürich»

Die Studie präzisiert:

  • Die Mieten der profitorientierten Wohnungen sind viel stärker gestiegen als die gemeinnützigen (also Genossenschaften, städtische Wohnungen)!
  • Deutlich am teuersten sind Verträge in Neubauwohnungen. Doch auch in Bestandesbauten wird die Miete oft beim Mieter*innenwechsel erhöht. Am günstigsten sind die ältesten Mietverträge.
  • Die Wohnungen werden grösser gebaut, ohne dass darin unbedingt mehr Leute wohnen können: mehr Fläche und mehr Miete für gleich viele (oder weniger) Zimmer.

Quelle: Statistik Stadt Zürich, 2022: «Mietpreise in der Stadt Zürich»

Das Kollektiv Mietpreise Zureich ergänzt diese städtischen Daten mit den Preisen von Wohnungsinseraten2. Dies zeigt einen düsteren Blick in die Zukunft…

2) Statistik von Mietpreise Zureich