Falsch!
Dieser Ruf von Immobilienentwickler*innen und FDP-Wähler*innen klingt erstmal logisch: Es gibt zu wenig Wohnungen, also müssen wir mehr davon bauen. Oder? Das Problem ist, mehr bauen führt aktuell stets zu teureren Mietzinsen. Woran liegt das?
Mehr bauen führt zu teureren Mietzinsen. Paradox aber wahr.
1.
Günstiger Wohnraum wird systematisch für teure Neubauten abgerissen
Seit das Raumplanungsgesetz die Zersiedlung aufhalten möchte, kann fast nur noch auf bereits bebautem Boden gebaut werden. Was wir jetzt sehen: Es werden nur selten Häuser aufgestockt und weitergebaut – es wird vor allem abgerissen und ‚ersatzneugebaut‘. Das ist nicht nur ökologisch problematisch (siehe Mythos Nr. 9). Dadurch wird kontinuierlich günstiger Wohnraum mit teurem Wohnraum ersetzt und Menschen werden im grossen Stil verdrängt.
Zürich ist im Abriss-Wahn
- Neuer Wohnraum entsteht 6.5 mal häufiger in Form von Abriss und Neubau anstatt dass bestehende Häuser erweitert oder aufgestockt werden (gilt für Kanton Zürich 2015-2010).1
- 85% der neuen Wohnungen werden als Ersatzneubauten gebaut (gilt für Stadt Zürich 2012-2013).2
- Im Jahr 2022 entstanden in Zürich 2566 Neubauwohnungen, gleichzeitig wurden 1151 Wohnungen abgebrochen.3
- Im Kanton Zürich wurden innerhalb von 5 Jahren 12’998 Personen aus ihrem Zuhause verdrängt, weil die Häuser renoviert oder abgerissen wurden (Kanton Zürich, 2014-2019).1
- Nach einer Renovation können im Kanton Zürich nur 6.1% Personen im Gebäude wohnen bleiben.1
1) SPUR-Report: David Kaufmann, Elena Lutz, Fiona Kauer, Malte Wehr, Michael Wicki, 2023: «Erkenntnisse zum aktuellen Wohnungsnotstand: Bautätigkeit, Verdrängung und Akzeptanz». Bericht ETH Zürich
2) Stadt Zürich, 2015: «Zürich baut sich neu. Ersatzneubauprojekte 2004-2015»
3) Statistik Stadt Zürich, 2023: «Neubautätigkeit weiterhin auf hohem Niveau»
2.
In Zürich zahlen wir mit unserer Miete die horrenden Bodenpreise!
Was macht einen Ersatzneubau eigentlich so teuer? Die steigenden Kosten fürs Bauen, für Material, für Energie und die steigenden Zinsen sind ein Faktor. Auf Hochpreisinseln wie der Stadt Zürich sind das Teuerste an Immobilien jedoch die Bodenpreise. Weil Investor*innen wissen, dass Wohnen alternativlos ist und deshalb auch absurd hohe Mieten bezahlt werden, zahlen sie selbst immer höhere Bodenpreise – und erhöhen dann einfach unsere Mieten, um damit die gewünschte Rendite reinzuholen.
Bodenpreise Stadt Zürich
Die Bodenpreise sind einer der wichtigsten Mietentreiber in Zürich. Vor allem in den letzten Jahren sind die Grundstückspreise stark gestiegen. Von 2010 bis 2018 haben sich die Preise verdoppelt, und Achtung: seit 2018 haben sie sich nochmals verdoppelt! Im Spitzenjahr 2022 zahlte man im Median (!) 8012 Franken pro Quadratmeter.1
Und diese Preissteigerung spüren wir jetzt vermutlich in den Mietzinsen noch nicht einmal – die Auswirkung kommt erst noch, wenn auf diesen teuren Grundstücken gebaut wird.
1) Statistik Stadt Zürich: «Liegenschaftspreise und Wohnflächenpreise»
Steigende Baukosten!
Die steigenden Baukosten werden auf die Mieter*innen abgewälzt – auch im gemeinnützigen Wohnungsbau. Übrigens geschieht dies nicht nur wenn tatsächlich gebaut wird: Wenn aufgrund steigender Baukosten bloss der Versicherungswert der Gebäude steigt, können auch die Mieten erhöht werden.
Quelle: Sonntagszeitung, 19.3.2023: «Jetzt steigen auch bei Genossenschaften die Mieten»
3.
Unsere Stadt wird von profitorientierten Akteur*innen aufgekauft.
Bei den horrenden Bodenpreisen können sich nur noch grosse, kommerzielle Player (mit viel Eigenkapital) den Boden leisten. Das Resultat: Immer mehr Mietwohnungen sind im Besitz von profitorientierten Privatgesellschaften – von Immobilienkonzernen bis hin zu (globalen) Investor*innen.
Der Boden-Boom
Ein wichtiger Grund für die Steigerung an profitorientierten Eigentümer*innen ist, dass spätestens seit der Finanzkrise 2008 Boden und Immobilien mit zu den sichersten und rentabelsten Anlageobjekten zählen und damit begehrter wurden. Deswegen stiegen auch die Preise, was wiederum privaten Eigentümer*innen und Erbgemeinschaften Anreize bot, ihre Liegenschaften zu verkaufen.
Quelle: Statistik Stadt Zürich, 2023: «Neubautätigkeit weiterhin auf hohem Niveau»
Zürich wird verkauft an…
Der Mietwohnungsbestand im Besitz von Privatgesellschaften stieg seit 2014 um 16’147 Wohnungen, während der Bestand im Besitz von Privatpersonen um 6329 abnahm.1 Bis vor Kurzem war die Swiss Life zur grössten kommerziellen Wohnungsbesitzerin der Stadt aufgestiegen, wie eine Recherche von Reflekt & Tsüri.ch aufzeigt.2 Mit der Fusion der CS mit der UBS übernimmt nun die neue Monsterbank mit 6000 Wohnungen diesen Spitzenplatz. Und mittlerweile investiert übrigens (trotz Lex Koller) auch globales Kapital in den Schweizer Immobilienmarkt: nämlich indem sie Anteile an Schweizer Immobilienfonds und -firmen kaufen. Gemäss einer Recherche von WAV Kollektiv hält z.B. BlackRock mittlerweile rund 6 Prozent des Schweizerischen Immobiliensektors.3
1) Statistik Stadt Zürich, 2023: «Neubautätigkeit weiterhin auf hohem Niveau»
2) Verein Reflekt und Tsüri.ch, 2021: «Der rasante Aufstieg des Zürcher Immo-Giganten»
3) WAV.Kollektiv und Breakfree Switzerland, 2022: Rechercheprojekt «Spotlight on BlackRock»