Wer’s glaubt!
Dieses Argument von Eigentümer*innen zu hören, ist ulkig – weil sie meistens wenige Sätze später auch sagen, dass «in Zürich ja einfach alles vermietet werden kann!». Darum Achtung: Diese Aussage ist Blödsinn. Damit ist eigentlich gemeint: «Wir können mit Ersatzneubauten einfach mehr Geld investieren und verdienen.»
Profitorientierte Eigentümer*innen wollen vor allem für wohlhabende Mieter*innen bauen.
1.
Es werden immer grössere Wohnungen gebaut.
In den letzten Jahren wurden stets grössere Wohnungen gebaut – jedoch nicht unbedingt für mehr Personen. Verdichtung fand also viel stärker in der Wohnfläche statt und weniger in der Personenzahl.1 Dieser Trend ging in letzter Zeit etwas zurück, ist aber immer noch sichtbar: In der Stadt Zürich wurde von 2015 bis 2019 bei Ersatzneubauten im Schnitt 112% zusätzliche Wohnfläche gebaut, aber nur für 90% mehr Personen.2 Viel Platz zu haben ist natürlich toll; aber die Frage ist ja, wer sich das leisten kann.
1) Stadt Zürich, 2012: «Dichter – Eine Dokumentation der baulichen Veränderung in Zürich»
2) Statistik Stadt Zürich, 2020: «Bauliche Verdichtung aktuell»
1962 versus 2022
1962 hatte Zürich schon mal so viele Einwohner*innen wie heute – auf viel weniger verbauten Raum. Wie das? Pro Wohnung wohnen damals mehr Menschen. Seit dann stieg die bewohnte Wohnfläche pro Person stark an: von 29.5 auf 41.4 Quadratmeter.
Achtung: Beim Wohnflächenverbrauch gibt es deutliche Unterschiede! In der Stadt Zürich im Jahr 2021:
- 34,9 qm in gemeinnützigen Wohnungen vs. 42,4 qm in nicht-gemeinnützigen Wohnungen1
- 44-84 qm bei Schweizer*innen vs. 31-65 qm bei Ausländer*innen (je nach Personen pro Haushalt)2
- 43 qm in Haushalten aus unter 25-jährigen vs. 56 qm in Haushalte aus 25- bis 64-Jährigen vs. 70 qm in Haushalten aus über 65-Jährigen.3
1) Stadt Zürich, 2022: «Sozialräumliches Monitoring»
2 & 3 ) Daten des Bundesamts für Statistik (BfS) für 2021: «Flächenverbrauch»
Wohnungen als Lifestylepaket
Bei vielen Neubauprojekten in der Stadt Zürich fällt auf, dass eine eigene aufwändige Website und Kommunikationskampagne zur Erstvermietung erstellt wird. Diese Marketingkosten müssen ja auch wieder über die Mieten bezahlt werden. Abgesehen davon fällt auf, dass sich diese Vermarktungen oftmals lesen wie ein Reiseführer. Wir Menschen, die in Zürich ihr Zuhause haben, scheinen da von Vornherein nicht mal mehr als Zielgruppe angesprochen zu sein. Und es bleibt die Frage: Warum werden teure Wohnungen gebaut, die erst noch teuer vermarktet werden müssen – statt Wohnungen im bezahlbaren Bereich, deren Vermarktung automatisch passiert, weil sie gebraucht werden?
Gossip
Aber Achtung: Kleinere Wohnungen sind nur dann gut, wenn sie entsprechend auch günstiger sind! Wir beobachten nämlich einen neuen Trend, der uns Sorgen macht: überteuerte Mikro-Apartments. Wir haben zum Beispiel von einem wunderschönen Altbau im Kreis 4 gehört, bei dem 4-Zi Wohnungen halbiert werden und danach zum gleichen Preis wie vorher vermietet werden sollen – so geht das mit dem bezahlbaren Wohnraum natürlich nicht!
2.
Der Standard von ‘zeitgemässem Wohnen’ wird an immer luxuriöseren Bedürfnissen ausgerichtet.
Was sind eigentlich die Wohn-Bedürfnisse von Normal- und Wenigverdienenden? Wollen wir nur noch offene Wohn-Küchen-Landschaften oder lieber wieder flexibel nutzbare, weil abschliessbare Zimmer? Braucht eine 3-Zimmer-Wohnung zwei Nasszellen und einen eigenen Waschturm? Welchen ästhetischen Normen muss unser Wohnen genügen? Was ist eine ‚gute Nachbarschaft‘, was eine ’schlechte‘? Ist Ringhörigkeit für alle ein Problem? Wollen wir wirklich alleine, zu zweit oder maximal in der Kernfamilie wohnen – oder finden wir einfach keine Wohnungen für andere Lebensmodelle? Wollen wir viel Platz oder tiefe Mietzinse? Das alles werden wir nicht gefragt – denn gebaut wird das, womit am meisten Geld verdient werden kann: Also Wohnungen für wohlhabende Mieter*innen. Und das wird dann als ‚zeitgemäss‘ verkauft.
Wir haben zu diesen vermeintlich ‚zeitgemässen‘ Standards keine Studien gefunden, aber viele Eindrücke gesammelt. Hier ein paar davon:
Lampugnani on fire:
«Ich misstraue TOTAL denjenigen, die von sich behaupten zu wissen, wie Menschen wohnen wollen. Wenn jemand kommt und sagt: ‚Ja, die jungen Leute wollen so oder so wohnen‘, dann werd ich ganz nervös. Weil in der Regel stimmt das nicht!» sagt Vittorio Lampugnani, ETH-Professor für Geschichte des Städtebau.
Quelle: SRF-Club vom 14.3.23
Umfrage zeigt: Ökologische und soziale
Begleitmassnahmen erhöhen die
Akzeptanz der Verdichtung
2022 hat die ETH eine Umfrage durchgeführt, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen die Bevölkerung Verdichtungsmassnahmen am ehesten toleriert. Das Resultat: wenn Verdichtugn mit sozialen Massnahmen (z.B. Kostenmiete) und ökologische Massnahmen einhergeht. Dies gibt uns Hinweise darauf, was Mieter*innen wirklich wichtig ist.
Interessante Arbeiten zum Thema:
Recherche von 8000 agency zum Wydäckerring
Ein zeitgenössisches Drama:
Film von ETH-Studentinnen Daria Ryffel und Toja Coray