Nr. 5
«Auf dem freien
Markt gelten halt
Marktmieten»

Fake Alarm!

Viel zu oft wird im Bezug auf die Wohnkrise mit dem ‚freien Markt‘ argumentiert. Das klingt dann in etwa so: «Das Angebot ist knapp, kein Wunder, dass es immer teurer wird! Wir müssen halt mehr bauen – denn das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt den Preis!» Aber Achtung…

In der Schweiz gibt es per Gesetz keinen ‚freien Immobilienmarkt‘ sondern einen Renditedeckel.

1.
Das Gesetz verbietet hohe Renditen auf Immobilien.

In der Schweiz gilt gesetzlich das Modell ‚Kostenmiete Plus‘: Mit Mietzinsen dürfen nur die tatsächlichen Kosten an Mieter*innen weiterverrechnet werden, plus eine beschränkte Rendite, die aktuell maximal 2% über dem Referenzzinssatz sein darf.1 Das heisst, der Wohnungsmarkt wäre eigentlich ein regulierter Markt. Und: Bis 2020 lag die zulässige Rendite übrigens nur 0.5% über dem Referenzzinssatz und wurde unter fragwürdigem Einfluss der FDP erhöht ! 2

1) Gemäss Bundesgerichtsentscheid vom 26. Oktober 2020 (4A 554/2019)
2) Sonntagszeitung vom 18.2.23: «Bundesgericht: FDP-Filz missachtet Gewaltenteilung»

Berechnung legaler Mietzinse

Gemäss Art. 269 OR sind Mietzinse missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird. Und der letzte dafür relevante Bundesgerichtsentscheid1 von 2020 legt dies wie folgt aus: Als zulässig – d.h. nicht missbräuchlich – gilt ein Ertrag, der 2 % über dem Referenzzinssatz liegt (solange der Referenzzinssatz 2 % oder weniger beträgt). Beim aktuellen Referenzzinssatz von 1.5 % (Stand Oktober 2023) darf die Nettorendite auf die in Wohnraum investierten Eigen-mittel also 3,5% nicht übersteigen.

1) Bundesgerichtsentscheid vom 26. Oktober 2020 (4A 554/2019)

Bloss:

2.
Niemand kontrolliert, dass dieses Gesetz eingehalten wird.

Die Immobilien-Lobby hat es geschafft, dass es völlig normal wird, dieses Gesetz einfach nicht zu beachten. Kontrolliert wird es von offizieller Seite nicht. Stattdessen wären es die einzelnen Mieter*innen, die einzelne überhöhte Renditen anfechten müssten. Dies ist jedoch in der Praxis kaum umsetzbar (siehe Mythos Nr. 7).

Rechtliches Wissen:
Anfangsmietzins oder Mietzinserhöhung anfechten

Bestandsmieten steigen hauptsächlich aus folgenden Gründen:

  • Die meisten Vermieter*innen passen den Mietzins nicht nach unten an, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Mieter*innen können die Senkung selbst einfordern, tun es aber viel zu selten. Der Referenzzinssatz wurde zwischen 2006 und 2021 fünf mal gesenkt, aber nur in einem Sechstel der Mietverhältnisse wurden diese Senkungen an die Mieter*innen weitergegeben.1 Alle diese Mieten sind nun eigentlich illegal hoch. Mit den bevorstehenden Referenzzinssatz-Erhöhung dürfen Vermieter*innen den Mietzins weiter erhöhen – aber Achtung: nur wenn bisher er auch regelmässig an die Zinssenkungen angepasst wurde. Ansonsten können Mieter*innen diese Erhöhung anfechten!
  • Beim Mieter*innenwechsel werden Bestandsmieten gerne um ein paar Hundert Franken erhöht. Dies wäre nur erlaubt, wenn entsprechende wertsteigernde Investitionen in die Wohnung getätigt werden (Streichen zählt nicht!) – was aber oft nicht der Fall ist. Wenn wir in eine neue Wohnung ziehen, haben wir Mieter*innen das Recht zu erfahren, wie hoch die Miete vorher war. Im Kanton Zürich und in Zeiten von Wohnungsnot müssen Eigentümer*innen den Mieter*innen ein Formular mit dem vorherigen Mietzins abgeben. Beträgt die Erhöhung 10% oder mehr, haben Mieter*innen 30 Tage Zeit, um ihren Anfangsmietzins anzufechten.2
  • Wenn wir alle stets diese Erhöhungen anfechten würden, könnten wir die steigenden Mietzinse etwas ausbremsen. Aber da es viele legitime Gründe gibt, warum Mieter*innen nicht anfechten (siehe Mythos Nr. 7), ist es keine nachhaltige Lösung, diese Verantwortung auf die Einzelnen abzuschieben.


1) Mieten+Wohnen, Andrea Bauer, 2022: «Höher als vom Gesetz erlaubt»
2) Mietrecht & Beratung des Mieterinnen- und Mieterverband (MV)

3.
In der ganzen Schweiz werden illegal hohe Renditen erwirtschaftet.

Selbst in glossy Jahresberichten und Werbeunterlagen prahlen Immobilienunternehmen damit, 6%, 10% oder sogar noch mehr Rendite zu machen. Zur Erinnerung: Es wären 3.5% legal (bzw. 2% über dem Referenzzinssatz). Mehrere Studien bestätigen dies: die BASS-Studie, die Raiffeisen und – unbeabsichtigt – sogar die UBS.

Bestätigungen der illegalen Renditen

Diesen Missstand untersuchte eine Studie des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) im Auftrag des Mieterinnen- und Mieterverbands. Dabei kam heraus, dass Immobilienunternehmen eine durchschnittliche Rendite von 6-7% im ‚Marktmiete-Segment‘ abschöpfen. Die Mieten hätten seit 2010 um 10% sinken müssen (weil der Referenzzins gesunken ist), stattdessen sind sie gestiegen.1 Gemäss der BASS-Studie führt das dazu, dass wir Mieter*innen pro Monat rund 370 Franken zu viel Miete bezahlen – durchschnittlich natürlich. Die Studie wurde landauf, landab von der Immobilienbranche kritisiert und diskreditiert. Eine Studie der Raiffeisenbank2 von 2017 bestätigt allerdings die These, dass grösstenteils mit Wohnraum übersetzte Renditen gemacht werden. Auch die UBS bestätigt (vermutlich unbeabsichtigt?), dass Immobilien eine der Anlagen mit den höchsten durchschnittlichen Renditen (6.24% zwischen 2009 und 2021) seien.3


1) Mieten+Wohnen, Andrea Bauer, 2022: «Höher als vom Gesetz erlaubt»
2) Raiffeisen Investment Office, 2017: «Wohnimmobilien Schweiz 1Q17- Zinsanstieg stoppt Höhenflug.»
3) vorsorgeexperten.ch, 2022: «Erobern Pensionskassen den Schweizer Immobilienmarkt?»